Mein behinderter Bruder [7]

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07 Ruhe vor dem SturmIch schloss leise die Türe hinter mir. Es war die Hölle. Hoffentlich begegnet mir niemand am Gang. Wie in Trance folgte ich den grellen, farbigen Wegweisern zum Ausgang. Meinen BH trug ich immer noch achtlos zusammengeknüllt in der Hand. Endlich öffnete sich die automatischen Ein- und Ausgangstüre und spuckte mich ins Freie. Die kühle Nachtluft und der Verkehrslärm erfassten mich. Ich hatte zum Glück das Auto gleich neben dem Eingang geparkt.

Ich bediente die Zentralverriegelung, öffnete die Beifahrertüre und warf den BH auf den leeren Beifahrersitz. Kaum hatte ich die Fahrertüre hinter mir geschlossen, fühlteich mich endlich halbwegs in Sicherheit. Die Ungeheuerlichkeit, die mir widerfahren war, kroch langsam wie ein bedrohliches Gespenst die Haut hinauf. Meine Augen füllten sich mit Tränen und endlich brach es aus mir hervor. Die ganze lange Fahrt quer durch die Stadt zu mir nach Hause wurde ich von Weinkrämpfen geschüttelt.

Daheim angekommen warf ich die schwere Eingangstür zu und verriegelte sie sofort doppelt. Zu meinem Schutz stellte ich auch einen Sessel unter die Klinke und zog die schwere Truhe aus dem Vorraum quer zur Türe. Ich konnte es immer noch nicht ganz fassen, was mir da eigentlich widerfahren war. Voller Ekel riß ich mir meine Kleidung vom Leib. Nichts, was ich dort am Körper getragen hatte, würde ich jemals wieder anziehen.

Slip, BH, Bluse, Rock, Schuhe, alles warf ich angewidert in einen leeren Pappkarton. Ich würde diese Zeugen meiner Schmach später für immer entsorgen. Ich ging ins Badezimmer und stellte mich unter die Dusche. Es fröstelte mich und ich drehte auf die heißeste Temperatur und den härtesten Strahl. Ich weiß nicht, wie lange ich das glühende Wasser an mir herunterrinnen ließ. Irgendwann schaltete ich einfach aus, trocknete mich ab und legte mich ins Bett.

Mein Schlafzimmer, bis jetzt der Ort für Intimität und Zärtlichkeit, war mir plötzlich fremd. Meine Nachttischlampe warf unheimliche Schatten an die Wand. Ich schaltete sie aus und kuschelte mich in die Decke, die mich nicht wärmte. Irgendwann schlief ich dann ein. Die Geister des Tages verfolgten mich bis in meine Träume hinein. Ichwurde verfolgt, kam nicht vom Fleck, die Gefahr rückte immer näher, schweißgebadet wachte ich auf…Am nächsten Tag rief ich gleich am Morgen in meine Firma an.

Ich ließ mich von Helga in der Telefonzentrale gleich mit einem der Chefs verbinden. Mir was im Augenblick alles egal. Eines wußte ich: Niemand würde mich die nächste Woche in die Arbeit bringen. Eher würde ich fristlos gekündigt. Irgendetwas im Klang meiner Stimme machte Dr. Selb sofort weich und hilfsbereit. “Ja, selbstverständlich würde ich 14 Tage Urlaub erhalten!“, “nein, es macht gar nichts, ich kann ihn natürlich schon heute beginnen, alles Gute!“ das wars.

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Ich ließ mich ins erleichtert ins Bett zurückfallen. Drei Tage verbrachte ich in meiner verbarrikadierten Wohnung. Ich ließ die Rollos herunter, nahm keinen Telefonanruf an, ging nichts zum Postkasten, nichts. Ich lag einfach im Schlafzimmer im Bett oder im Wohnzimmer auf der Couch und starrte auf die Decke. Immer und immer wieder spukten mir dieselben Bilder durch den Kopf. Dr. Münster hatte gründliche Arbeit geleistet. Selbst in meiner eigenen Wohnung setzte ich seinem Übergriff keinen Widerstand entgegen.

Alles in mir war leer, taub. In einer weit entfernten Ecke meines Bewußtseins wußte ich jedoch: Ich mußte zu einer Entscheidung kommen. Ich hatte bist Donnerstag Zeit. Dann wollte er mich wieder sehen. Ich wußte, noch einmal würde ich dieselbe Behandlung nicht überstehen. Am Ende des dritten Tages lichteten sich die Schatten. Mir fiel ein EXiovervonmirein. RobertwareinvitalerMensch, desserGleich am nächsten Morgen ging in die größte Buchhandlung der Stadt und ließ mir von einem freundlichen, jungen Verkäufer die Abteilung mit buddhistischer Literatur zeigen.

Ich staunte. Regal auf Regal war mit Büchern zu diesem Thema gefüllt. Soviel Zeit hatte ich nicht. Wahllos griff ich ein Buch heraus, überflog es, stellte es zurück, holte das nächste. Ein Zitat aus einem Buch von Jack Kornfeld sprang mir ins Auge: “Wenn dich ein Raubtier verfolgt, lauf ihm entgegen“. Ich stockte. Der Autor hatte leicht schreiben. Aber was würde er in meiner Situation sagen?Ich mußte zugeben: Der Satz klang gut, aber was sollte ich mit ihm anfangen? Und doch: Das Zitat ließ mich nicht mehr los.

Ich stöberte noch durch viele Bücher, kam aber immer wieder auf diese Buch und diesen Satz zurück. Endlich kaufte ich es, ließ es mir einpacken und fuhr damit wie mit einem soeben gefundenen, wertvollen Schatz heim. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich das Buch aufschlug und dieses kleine Zitat las: “Wenn dich ein Raubtier verfolgt, lauf ihm entgegen. “ Die wenigen Worte waren das Rettungsseil, an dem ich mich schließlich selber aus dem Sumpf meiner Verzweiflung und Niedergeschlagenheit zog.

Ich wiederholte es wie ein buddhistisches Mantra und es gab mir Kraft und Stärke. Ich hatte nur nur noch drei Tage Zeit, um mich auf Donnerstag vorzubereiten. Ich ging in die Küche und bereitete mir nach drei langen Tagen die erste warme Mahlzeit. Ich saß am Esstisch, die letzten Strahlen der Sonne wärmten mich auf. Das Leben hatte mich wieder. Ich würde mich nicht kampflos geschlagen geben. So lange ich den Atem des Lebens in mir spürte, würde ich fighten.

Ich war praktisch Tag und Nacht beschäftigt. Ich fuhr zu allen Sexshops in der Stadt und in der näheren Umgebung. Am Donnerstag Nachmittag war ich fertig. Eine bisher noch nie erlebte Ruhe überkam mich. Ich hatte alles getan, was notwendig war. In wenigen Stunden würde das Schicksal über meinen weiteren Lebensweg entscheiden. Ich machte mich schön. Zuerst lag ich im warmen Bad, cremte dann meine ganzen Körper von oben bis unten ein und schminkte mich gekonnt.

Ich zog die neu gekaufte Büstenhebe an, schloss den Strumpfbandgürtel um mein Becken zog die hauchdünnen Nylons über meine Beine. Zu guter Letzt stieg in die neu gekauften High-heels. Jetzt begutachtete ich mich im Spiegel. Bei aller Bescheidenheit – ich sah einfach hinreißend aus. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals eine dermaßen sinnliche und verführerische Ausstrahlung gehabt zu haben. Ich zog die Highheels wieder aus – mit ihnen konnte ich nicht Autofahren – und schlüpfte in meinen leichten Mokassins.

Ich schlüpfte in meinen leichten Sommermantel und verstaute die weiteren Habseligkeiten im Auto. Gegen 17 Uhr startete ich den Wagen und fuhr los zum Heim, indem sich mein weiteres Schicksal entscheiden würde…….


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Kommentare

Dauersteher 29. Mai 2017 um 8:01

jetzt wird sie richtig heiss…. ich liebe solche Geschichten und beim lesen werde ich dann immer steinhart!

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